Von der Grabung ins Museum
Ganz im Gegensatz zu einer immer noch weit verbreiteten Meinung ist der Archäologe kein Schatzsucher, und die Fundgegenstände, selbst wenn sie von grossem Wert ist, interessieren ihn weniger als der Mensch, der sie hergestellt hat. Der Archäologe ist vielmehr als ein Historiker zu sehen, der wegen fehlender schiftlicher Überlieferungen dazu gezwungen ist, die materiellen Spuren menschlicher Aktivitäten zu sammeln und zu hinterfragen. Diese Spuren sind manchmal spektakulär, meist aber eher bescheiden und gehören zu unserem gemeinsamen kulturellen Erbe. Sie sind wesentlicher Bestandteil unserer Vergangenheit und laufen beständig Gefahr, durch Bauarbeiten beschädigt oder zerstört zu werden.
Die wichtigste Aufgabe des Archäologen besteht deshalb in der Bergung und der Dokumentation dieser Spuren, bevor sie für immer verlorengehen. Im Normalfall werden Grabungen tatsächlich erst dann durchgeführt, wenn die archäologischen Bodenfunde unmittelbar durch Bauvorhaben oder Raumplanungen gefährdet sind: dies ist das Prinzip der sog. Rettungsgrabungen.
Die Prospektion
Bevor man überhaupt mit einer Grabung beginnt, muss man sich zunächst über den Stand der Forschung zu dem durch das Bauvorhaben gefährdete Areal in Kenntnis setzen. Hierzu konsultiert man die archäologische Karte des Kantons oder, wie im Fall von Avenches, den archäologischen Plan der antiken Stadt, der ständig aktualisiert wird. In dem Plan sind sämtliche bekannten Befunde und lokalisierten Funde eingetragen sowie von Archäologen bereits durchgeführte Untersuchungen.
Die Existenz von bestimmten Fundstellen wird manchmal auch durch Oberflächenfunde (z.B. Ziegel) oder durch die mittels Luftbildern sichtbar gemachten Spuren im Boden angezeigt.
Die Luftbildarchäologie
Bei günstigen geologischen und klimatischen Bedingungen können archäologische Strukturen, die nicht zu tief im Boden liegen (Mauern, Steinsetzungen, Gruben), durch die Beobachtung des Geländes aus einem tieffliegenden Flugzeug erkannt werden.
Solche Unregelmässigkeiten im Untergrund können eine Auswirkung auf das Wachstum der darüberliegenden Pflanzendecke haben, wie langsamere Reifung oder schnelleres Austrocknen. Sommermonate mit langen Trockenperioden, wie z.B. der Sommer 1976, sind daher für diese Art von Prospektion besonders geeignet.
Die Sondierungen
Vor einer Grabung wird meist ein kurzer Sondierungsschnitt mithilfe eines Baggers angelegt. Diese Voruntersuchung erlaubt es abzuschätzen, um welche Art von Bodenfund es sich handelt, wie gut er erhalten und ob er von wissenschaftlicher Bedeutung ist. Auf der Basis dieser ersten Einschätzung wird entschieden, ob eine Ausgrabung erfolgt oder nicht, vorausgesetzt, dass die personellen und finanziellen Ressourcen zur Verfügung stehen.
Die Ausgrabung
Nachdem der Bagger die obersten Erdschichten abgetragen hat, arbeiten die Archäologen im Allgemeinen mit Hacke, Schaufel und Kelle weiter. Die Befunde (Mauern, Böden, Gruben, usw.) werden freigelegt, gezeichnet, fotografiert und genau beschrieben. Das Fundmaterial (Keramik, Glas, Metall usw.) wird entnommen und es wird vermerkt, bei welchen Befunden und in welcher Schicht es gefunden wurde.
Für die Bergung von sehr zerbrechlichen oder wertvollen Funden bedarf es manchmal der Unterstützung durch Fachleute für Konservierung und Restaurierung.
Die Stratigrafie
Die Stratigrafie ist eines der Grundprinzipien jeder archäologischen Grabung. Die Schichtenabfolge erlaubt Rückschlüsse auf die Art und Datierung der menschlichen Aktivität an der Fundstelle. Schichten entstehen durch eine Ansammlung von Ablagerungen, Aufschüttungen, Bauschichten, Zerstörungsschichten, usw. Durch die genaue Untersuchung und Interpretation der Stratigrafie von unten nach oben (vertikales Profil) und durch die Zuordnung des geborgenen Fundmaterials zu den jeweiligen Schichten lässt sich die Siedlungsgeschichte eines Fundortes nachzeichnen.
Die Aufarbeitung der Daten
Nach Beendigung einer Grabung beginnen die Untersuchungen und Analysen der Befunde und des Fundmaterials. Es handelt sich wiederum um Teamarbeit, die allerdings sehr oft viel länger dauert als die Arbeit auf der Grabung. Dazu gehört die Erstellung eines Plans der Befunde, die Aufarbeitung der Grabungsskizzen, die Analyse der Stratigrafie, die Datierung der verschiedenen Siedlungsschichten durch das Fundmaterial, nicht zu vergessen die Restaurierung der Funde im Labor für Konservierung und Restaurierung.
Die interessantesten Objekte gelangen (manchmal) in die Dauerausstellung des Museums, während der Grossteil des Fundmaterials im Depot der Sammlung eingelagert wird.
Die Ergebnisse der Grabungen in Avenches erscheinen regelmässig in der Chronique des fouilles archéologiques des Bulletin de l’Association Pro Aventico, die eingehenderen Untersuchungen werden in Form von Artikeln oder Monografien publiziert.